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Die Atemzählübung

Die Atemzählübung

Hier finden Sie die Darstellung der Atemzählübung aus meinem Buch Das geheime Buch des ZEN

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Die 1. Phase der ZEN-Praxis beginnt mit der Übung des Atemzählens. Sie haben inzwischen gelernt, richtig und perfekt in der Zazen-Haltung zu sitzen. Das Sitzen in der Zazen-Haltung ist aber noch nicht die eigentliche ZEN-Meditation. Meditiert wird in der 1. Phase mithilfe der Atemzählübung. Diese Übung trainiert Ihre Achtsamkeit und Konzentration. Sie werden so mit fortschreitender Übung nicht nur Ihrem Atem, sondern auch inneren und äußeren Vorgängen gegenüber achtsamer. Durch das Atemzählen wird die so genannte Beobachterrolle trainiert. In dem Sie die Beobachterrolle einnehmen, lernen Sie mit der Zeit, sich von Ihrem Affengeist zu distanzieren, indem Sie Ihren Geist aus einer neutralen Beobachterperspektive heraus beobachten. Das Einnehmen der Beobachterrolle ist besonders wichtig und sollte sehr gut trainiert werden. Wenn die Beobachterrolle nicht ausreichend geübt wird, werden alle weiteren Übungen im ZEN misslingen, weil Sie sich in Ihren Gedanken verlieren werden, anstatt sich davon zu distanzieren. Das Zählen des Atems ist eine uralte Tradition, die von vielen Religionen genutzt wird. Wenn Sie mit aller Aufmerksamkeit bei Ihrem Atem verweilen, sind Sie mitten in der Realität, weil Ihr Atem immer und jederzeit in der Gegenwart ist. Dadurch sind Sie auch mitten im Hier und Jetzt, wenn Sie Ihrem Atem achtsam folgen.

Die Atemzählübung
Begeben Sie sich in die Zazen-Haltung und stellen Sie den Timer auf 25 Minuten. In der Atemzählübung zählen Sie einfach nur Ihre Atemzüge. Ihr Mund ist dabei geschlossen, Ihre Zunge liegt locker oben am Gaumen an. Pressen Sie die Zähne nicht aufeinander, sondern legen Sie sie locker aufeinander. Sie zählen bei der Übung nur die Atemzüge, die Sie ausatmen. Gleichzeitig nehmen Sie Ihren Atem beim Einatmen in Ihrem Tanden wahr. Sie atmen dabei ohne zu zählen in den Tanden, bauen dort die Atemspannung auf, lassen den Atem ausfließen und zählen dabei den ausströmenden Atemzug.
Sie sind dabei ganz der Atem. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrem Bewusstsein, also mit all Ihrer Aufmerksamkeit Ihrem Atemzug folgen, während Sie ein- und ausatmen. Nichts ist wichtig, außer diesem einen Atemzug, den Sie in diesem Moment gerade ein- und ausatmen. Spüren Sie, wie er ein- und wieder ausfließt. Atmen Sie in den Tanden ein, die Aufmerksamkeit liegt dabei im Tanden. Sie spüren, wie die Luft dort ankommt, wenn Sie richtig sitzen. Dann lassen Sie die Spannung los. Lassen Sie sie einfach fallen, denn der Atem fließt von selbst. Entspannen Sie beim Ausatmen alles bis auf den leicht angespannten Tanden. Sie sollten nicht Ihrem Atem folgen, ihm also beispielsweise während des Ausfließens die Luftröhre hochsteigen fühlen. Sie sollen lediglich den Atem im Tanden loslassen und sich dann auf das Zählen konzentrieren.

Zählen Sie dabei den ausfließenden Atem innerlich mit „Eeeeeiiiiiiinnnnnnnsss“, bis der Atemzug von alleine ausgeatmet ist. Manipulieren Sie nicht die Dauer des Ausatmens. Der Atem atmet sich selbst, Sie brauchen nichts dafür tun. Dieses Verfahren wiederholen Sie, bis Sie bei der Zahl Zehn angekommen sind. Zählen Sie nie weiter als bis Zehn. Sie haben dann zehn Mal hintereinander die ausfließenden Atemzüge gezählt. Dann fangen Sie wieder bei Eins an. Sie erleben jeden Atemzug bewusst immer wieder neu. Achten Sie auf den kurzen Moment der Leere, wenn der Atem an dem Punkt zwischen Ein- und Ausatmen und Aus- und Einatmen von alleine umschwenkt. Versuchen Sie diesen Moment bewusst wahrzunehmen.

Anfangs werden Sie sicherlich auf die eine oder andere Art verkrampfen, weil Sie unbewusst versuchen, Ihren Atem künstlich zu verlängern oder in anderer Weise zu manipulieren. Ihr Atem aber braucht Sie nicht, er atmet sich von selbst, ganz ohne Ihr Zutun. Sie sollten ihn nicht manipulieren, weder in der Tiefe, noch in der Länge. Sie atmen einfach. Das scheint anfangs gar nicht einfach. Jeder von uns will immer die Kontrolle über alles behalten. So entsteht das sichere Gefühl, alles im Griff zu haben. Wir fühlen uns sicher, wenn wir alles unter Kontrolle haben. Gerade dadurch werden Sie hier jedoch schon vor die ersten Schwierigkeiten gestellt. Denn wenn Sie Ihren Atem kontrollieren wollen, wird die Übung nicht funktionieren. Das Loslassen beginnt schon hier in der ersten Phase des ZEN-Wegs. Lassen Sie Ihren Atem sich einfach selbst atmen, das tut er von ganz alleine, seit Sie auf der Welt sind.

Der Affengeist
Sie werden feststellen, dass Ihre Gedanken beim Zählen des Atems abschweifen oder dass Gefühle auftauchen und Sie vom Zählen ablenken. Sobald Sie in der 1. Phase wahrnehmen, dass Gefühle in Ihnen auftauchen oder Ihre Gedanken abschweifen, versuchen Sie sie loszulassen, indem Sie Ihre Achtsamkeit von den Gedanken und Gefühlen auf Ihren Körper lenken und ihn kurz scannen: Sitzen Sie noch perfekt? Kontrollieren Sie und korrigieren Sie gegebenenfalls Ihre Sitzhaltung. Die Kontrolle erfolgt dabei an drei Stellen: der Kopfhaltung, Handhaltung und am Tanden. Überprüfen Sie also, ob Ihre Blickrichtung und Kopfhaltung noch korrekt ist. Sind Ihre Augen noch halb geöffnet? Halten Sie Ihre Daumen noch waagerecht leicht aneinander, oder sind sie nach oben oder unten gewandert? Belasten Sie Ihren Tanden noch richtig?
Kehren Sie nach dem Scannen mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder zurück zum Atemzählen. Dabei müssen Sie immer wieder von vorne anfangen. Sie beginnen wieder mit dem Zählen des ausfließenden Atems und starten bei Eins. Sie werden bald feststellen, dass Sie vielleicht nur bis Zwei oder Drei zählen können und dann wieder von vorne beginnen müssen, weil Sie sich wieder in Gedanken und Gefühlen verloren haben. Oder Sie stellen plötzlich fest, dass Sie vielleicht schon bei 17 angekommen sind. Das wird sich mit der Zeit durch die Übung ändern und immer besser werden.

Werden Sie sich durch diese Übung darüber bewusst, dass Ihre Gedanken immer wieder abschweifen und Sie immer wieder aufsteigende Gefühle beschäftigen. Dabei ist es momentan noch nicht wichtig, sich den Inhalt der Gedanken und Gefühle anzuschauen. Stellen Sie vorerst nur fest, dass da Gedanken und Gefühle sind, die Ihre Welt bestimmen. Die Atemzählübung dient in diesem Sinne dazu, dem Auftauchen der Gedanken und Gefühle gegenüber achtsamer zu werden und zu beobachten, was sich in Ihrem Affengeist so alles tummelt. Mit zunehmendem Training werden Sie immer bessere Erfolge feststellen. Mit der Zeit wird Ihnen die Atemzählübung in Fleisch und Blut übergehen und Sie können sie immer dann anwenden, wenn Sie einen klaren Kopf bekommen möchten.

Zusammenfassung
Hier finden Sie noch einmal die Atemzählübung in Kurzzusammenfassung:

- Kontrolle und Korrigieren der Zazen-Haltung an Kopf-, Handstellung und Tanden
-
Einatmung im Tanden beobachten, dann loslassen
- Ausatmung innerlich zählen
- Bewusst die Leere zwischen den Atemzügen wahrnehmen
- Aufsteigende Gedanken und Gefühle kurz wahrnehmen, dann loslassen
- Danach kurz Kontrolle und Korrigieren der Zazen-Haltung an Kopf-, Handstellung und Tanden
-
Einatmung im Tanden beobachten, dann loslassen
- Ausatmung innerlich zählen

Dieser Ablauf wiederholt sich ständig von vorne. Wenn Sie die Atemzählübung üben, stellen Sie Ihren Meditations-Timer auf 25 Minuten. Haben Sie anfänglich Probleme, 25 Minuten lang ruhig zu sitzen, verkürzen Sie zunächst die Zeit auf 15 Minuten. Diese Dauer sollten Sie sofort wieder erhöhen, sobald Sie 15 Minuten lang ohne Probleme sitzen können. Besonders bei Anfängern benötigt der Geist mindestens 15 bis 20 Minuten, um überhaupt zur Ruhe zu kommen. Der Geist braucht so lange oder noch länger, um sich halbwegs entspannen zu können und beim Atem zu bleiben. Sie sollten deshalb mindestens 25 Minuten üben und diese Dauer immer einhalten. Dabei sollte es unerheblich sein, ob es beispielsweise heute „nicht so gut läuft“, ob das Atemzählen gerade Probleme macht oder sonstige Schwierigkeiten auftauchen. Sitzen Sie immer die gesamte Übungszeit, es sei denn, Sie bekommen gesundheitliche Probleme.

(Anmerkung: Hiermit endet die Atemzählübung. Nach dieser Übung beginnt die eigentliche ZEN-Übung, die Sie in meinem Buch "Das geheime Buch des ZEN" weiter nachlesen können.)